Vor ungefähr zehn Jahren traf ich mich öfters mit einem Mädchen namens Simone*, die zufällig, wie ich auch, ein Faible für Weezer hatte. Um die Zeit etwa kam das dritte Album von Weezer heraus, das grüne, nach langer Pause. Ihr gefiel das Album sehr gut, während ich enttäuscht war von der Platte. Ich versuchte ihr also zu vermitteln, warum ich mich fast schon betrogen fühlte von dieser Band, die lange Zeit meine Lieblingsband war. Dazu muss ich etwas weiter in der Zeit zurückgehen.
1997 hatte ich mir Pinkerton gekauft, das zweite Album der Band, das mich durchaus überraschte. Die Band hatte ihren Sound tiefgehend verändert, was nach dem Erfolg ihres Debütalbums ja schon mal saucool und ziemlich Punk ist. Die verzerrten, massigen Weezer-Trademark-Gitarren des ersten, blauen Albums, die die Akkorde in Achtelnoten durch-"chug"-ten und von vielen Bands in der Zeit kopiert wurden (ihr erinnert euch an Fire Water Burn von der Bloodhound Gang, totaler Weezer-Rip off) waren auf keinem der Songs zu hören. Statt dessen waren die Songs rauer, punkiger und härter, teilweise mit leisen Synthies unterlegt. Der Sound war in bester Albini-Manier schön räumlich und authentisch. Und ganz besonders fiel der Gesang auf, der sehr emotional war. Ehrlich. Nackt. So glaubhaft hatte ich bis dahin niemanden Singen hören (und wenige seither). Jeder Schrei, jedes "Woh!", jedes Wort, das Rivers sang, alles war so ehrlich und so direkt. Ich erinnere mich noch genau, wie meine erste Freundin 1997 mit mir Schluss machte und ich in tiefer Trauer Track 4 auf meiner Aiwa-Kompaktanlage spielte, und plötzlich eine eigenartige Euphorie in meinem Kummer spürte.
Why Bother? It's gonna hurt me. It's gonna kill when you desert me. This happened to me twice before, it won't happen to me anymore! Der Junge hat mir sowas von aus der Seele gesprochen, damals, als es noch keine Indie-Discos, keine Emo-Vampire-Kids und kein Facebook gab. Pinkerton war punker als Punk, ohne Punk zu sein, und indier als Indie, ohne Indie zu sein. Alle Bandmitglieder geben alles, diese Platte so viele geniale Momente wie kaum eine andere. Allein die Blastbeats am Ende von Tired of Sex sind härter und cooler, als es 99% aller Hardcore und Metalbands hinkriegen würden.
Die Offenheit und der finanzielle Misserfolg Pinkertons hat die Band dann bekanntlich auch in eine langwierige Identitätskrise gestürzt, und während Pinkerton mit den Jahren immer mehr zum Kultalbum wurde, rechnete ich nach dem Ausstieg des Bassisten Matt Sharp, der im Background dies und jenes gesungen hatte, kaum mehr mit Weezer. Dennoch kamen sie eben 2001 mit dem grünen Album um die Ecke, optisch an das erste angelehnt, und auch musikalisch taten die Herren so, als hätte es Pinkerton nie gegeben. Auf einmal waren die Chug-Gitarren wieder da, die Melodien waren sehr radiotauglich, Weezer klangen nun wie die Destillation der kommerziell attraktivsten und massentauglichsten Elemente des blauen Albums. Nur - was war mit Rivers Cuomo passiert? In seiner Stimme war eine Distanz und Emotionslosigkeit zu hören, die wiederum völlig das Gegenteil dessen war, was er auf Pinkerton gemacht hatte. Ich hege noch heute den heimlichen Verdacht, dass er in Therapie weine Art Gehirnwäsche durchgemacht hat, bei dem sein emotionales Zentrum vom Gehirn abgeknipst wurde.
Nun ja, das versuchte ich eben, Simone* zu vermitteln, aber sie mochte das grüne Album trotzdem sehr. Sie war eben
on a different page, könnte man sagen. Oder hatte eben nicht so eine emotionale Bindung zu Weezer wie ich. Aber auch kommerziell waren Weezer jetzt wieder oder erst richtig erfolgreich, also dachten scheinbar viele Menschen wie Simone*. Dann lag es wohl an mir?
Wie geht die Geschichte weiter? Weezer wurden mit jedem Album schlechter, gefälliger und anbiedernder, eine fratzenhafte Karikatur ihrer selbst. Rivers Cuomo ist ein hirnbebrilltes Alien geworden, und außerdem singt er viel schlechter als auf den beiden ersten Alben.
Pinkerton gibt es schon seit Jahren wieder auf Vinyl, also wozu noch ein teures 4xLP Reissue kaufen? Da gibt es tatsächlich Gründe. Das Album ist remastert, aber das interessiert nicht, denn wie ihr bereits gelernt habt, wurde vor 15 Jahren auch schon sehr gut gemastert. Aber auf dieser Version finden sich neben ein paar teilweise netten, aber eher unnötigen Alternative Takes und Live-Versionen der Albumsongs auch alle B-Seiten und einige unveröffentlichte Songs, die zu dem Besten zählen, was Weezer je gemacht hat, teilweise sogar noch besser als das Album selbst sind, in jedem Fall aber diese Emotionalität haben, die zumindest mich noch heute sehr stark zu bewegen vermag.
Long Time Sunshine, Devotion, You Gave Your Love To Me Softly, I Just Threw Out the Love of My Dreams... alles Songs, die man, oder ich zumindest, unbedingt auf Vinyl haben muss. Im Ernst, alle anderen Platten, die ich an dieser Stelle bisher besprochen habe, könnt ihr im Prinzip in die Tonne kloppen, die hier braucht ihr! Das Tracklisting ist eigenartig (hat die Band so wahrscheinlich zusammengestellt, würde mich nicht wundern) - Erst kommen ein paar B-Seiten, dann eine Alternativversion eines Albumtracks, dann wieder ein Livetrack und so weiter. Die Platte ist zwar teuer und nur als Import zu haben (Flight 13 hat sie, aber bei denen weiß man nie ob ne Platte tatsächlich auf Lager ist oder eben nur gelistet), und eine Doppel-LP hätte es auch getan. Dennoch werde ich mir das Teil zulegen müssen. Da führt kein Weg dran vorbei, Freunde.
Ach ja, und Simone*? Nun, unsere Wege haben sich alsbald getrennt, und während ich bis heute noch regelmäßig Pinkerton auflege, tut sie das vielleicht mit ihrer CD vom grünen Album...
* Namen geändert